Ein wichtiger Bestandteil der RAL-Gütesicherung Kanalbau ist die Überprüfung der Gütezeicheninhaber durch die beauftragten Prüfingenieure. Die rund 30 Ingenieure verfügen über langjährige Baustellenerfahrung und führen auf dieser Grundlage derzeit rund 3.500 unangemeldete Baustellenbesuche pro Jahr bei ausführenden Unternehmen mit Gütezeichen durch. Die Häufigkeit der Baustellenbesuche nach Gütezeichenverleihung erfolgt in der Regel in Abhängigkeit von der Anzahl der eingesetzten Kolonnen/Teams der Gütezeicheninhaber. Dabei werden die Ausführung der Maßnahme entsprechend den allgemein anerkannten Regeln der Technik, die personelle, geräte- und maschinentechnische Ausstattung sowie die Eigenüberwachung bewertet. Baustellenbesuche gehören damit zur täglichen Routine eines Prüfingenieurs.

Baustellenmeldungen als Grundlage

Welches Unternehmen führt eine Baustelle aus, die zum Anforderungsprofil der verliehenen Beurteilungsgruppe passt – so lauten einige Fragen, die bei der Vorbereitung des Besuches eine Rolle spielen. Als Grundlage für die Planung dienen die Baustellenmeldungen der Gütezeicheninhaber. Ist eine Baustelle zum Besuch vorgesehen, stellt der Prüfingenieur anhand der Meldungen wichtige Angaben zusammen, etwa zu Personal, Leistungsumfang oder Schwierigkeitsgrad der Ausführung, und schafft damit die Basis für die geplante Bewertung der Qualifikation, Zuverlässigkeit und fachtechnischen Kompetenz der Fachfirmen auf Grundlage RAL-GZ 961.

Im folgenden Interview gibt Dipl.-Ing. Sven Fandrich, Leitung Außendienst, Gütegemeinschaft Kanalbau, Einblicke in die Arbeit der Prüfingenieure, berichtet über seine Erfahrungen vor Ort auf den Baustellen und über das Arbeiten in Zeiten der COVID-19-Pandemie.

Herr Fandrich, warum sind die Baustellenbesuche der Prüfingenieure so wichtig?

Sven Fandrich: Die Begutachtung von Qualifikation und Zuverlässigkeit der Fachunternehmen im Rahmen von Baustellenbesuchen durch einen unabhängigen Prüfingenieur trägt entscheidend dazu bei, dass Auftraggeber konsequent und wirtschaftlich die Prüfung der Bietereignung nach RAL-GZ 961 setzen. Auf diese Weise werden über die Auswahl einer fachlich geeigneten Firma die Voraussetzungen für eine fachgerechte Ausführung der Maßnahme geschaffen. Denn die Auswahl einer geeigneten Firma kombiniert mit einer fachgerechten Bauüberwachung macht den Erfolg einer Maßnahme planbar. Das ist im Sinne einer fachgerechten und nachhaltigen Bewirtschaftung des Kanalnetzes von großer Bedeutung.

Wird der Prüfingenieur vor diesem Hintergrund als Kontrolleur gesehen?

Fandrich: Meine Kolleginnen und Kollegen haben da andere Erfahrungen gemacht. Den Zusammenhang von Qualifikation und Bauergebnis sehen in der Regel auch die Ansprechpartner auf der Baustelle. Aber der Prüfingenieur bewertet nicht nur die Qualifikation des Unternehmens anhand der Bauausführung. Zusätzlich nutzen wir den Baustellenbesuch um das Baustellenpersonal zu informieren und zu sensibilisieren. Ziel der Gütesicherung auf der Baustelle ist, dass durch wachsende Qualifikation der Beteiligten, durch Eigenüberwachung und natürlich auch durch die gemeinsame Auswertung etwaiger Fehler die Ausführungsqualität kontinuierlich verbessert wird.

Worum geht es vor Ort auf der Baustelle?

Fandrich: Der Prüfingenieur schaut sich beispielsweise an, ob die Bauausführung den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und auch, ob die Einbaubedingungen des Rohres den Vorgaben aus der Statik entsprechen. Daneben werden die Geräte, die personelle Besetzung und die Eigenüberwachungsunterlagen geprüft. Bei der Eigenüberwachung sind die für die Qualität maßgeblichen Parameter zu überprüfen und deren Einhaltung zu dokumentieren. Fehlen Angaben, oder ist alles richtig und vollständig dokumentiert? Ist das Personal qualifiziert und ist das gemeldete Personal auf der Baustelle? – das sind wichtige Fragen, für deren Beantwortung in den meisten Fällen der Polier dem Prüfingenieur als Ansprechpartner beim Baustellenbesuch zur Seite steht und die erforderlichen Unterlagen vorlegt. Stimmt die Situation auf der Baustelle mit den gemeldeten Daten überein? Gemeinsam werfen die Fachleute einen Blick auf die Bauausführung.

Was passiert, wenn etwas nicht stimmt?

Fandrich: Ist alles in Ordnung, wird das positive Ergebnis ebenso im Prüfbericht festgehalten, wie eventuelle Abweichungen. Gravierendere Mängel werden dem Güteausschuss der Gütegemeinschaft zur Beratung vorgelegt. Er empfiehlt dann entsprechende Ahndungsmaßnahmen. Bei festgestellten und dokumentierten Mängeln sieht die Satzung ein abgestuftes System von Ahndungen vor: „zusätzliche Auflagen“, „Verkürzung des Besuchsintervalls“, „Verwarnung“ oder ein „befristeter oder dauerhafter Entzug des Gütezeichens“.

Da hat der Güteausschuss ja einiges zu bewältigen?

Fandrich: Grundsätzlich ja. 2020 wurden im Güteausschuss mehr als 5.800 Vorgänge behandelt, darunter auch die Baustellenberichte der Prüfingenieure. Vor diesem Hintergrund haben wir die Option „Baustellenbesuch mit Hinweis“ eingeführt – quasi ein Instrument zur kurzfristigen Beseitigung von kleineren Mängeln ‚auf dem kleinen Dienstweg’. Diese werden selbstverständlich auch dokumentiert. Der Prüfingenieur fügt dem Bericht mindestens zwei Bilder an, um die Bauausführung und Eigenüberwachung vor Ort zu dokumentieren und vermerkt geringe Abweichungen im Bericht, zum Beispiel unter dem Punkt Bauausführung.

„Die Bauausführung ist im Wesentlichen in Ordnung, aber bitte beachten Sie, dass…“: So oder so ähnlich könnte so ein Eintrag lauten. Darüber hinaus wird ergänzt, dass der Punkt mit dem Polier vor Ort besprochen worden ist. Zusammengenommen bietet das eine brauchbare Bewertungsgrundlage und die Mängel werden in der Regel zeitnah abgestellt. Wenn alle diese Baustellenbesuche mit Hinweis in der Statistik berücksichtigt würden, hätten wir 35 % mehr Ahndungen. Somit schaffen wir eine regelrechte Win-win-Situation: Wir wirken positiv auf die Unternehmen ein, den Qualitätsstandard weiter zu verbessern; zudem erleichtert diese Vorgehensweise die Arbeit der Prüfingenieure und steigert deren Fachkompetenz und Akzeptanz vor Ort.

Haben die vielen Einschränkungen im Rahmen der Corona-Pandemie die Arbeit der Prüfingenieure beeinträchtigt?

Fandrich: Die Auswirkungen betrafen vor allem Veranstaltungen wie die Mitgliederversammlung, Firmen­seminare oder die „Auftraggeber-Fachgespräche“, die nicht in gewohnter Form stattfinden konnten. Gütesicherung Kanalbau hat allerdings dennoch weiter stattgefunden – etwa in Form von erweiterten Online-Angeboten zur fachlichen Qualifizierung der Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter von Auftraggebern, Ingenieurbüros und Gütezeicheninhabern – aber auch auf den Baustellen. Besuche fanden weiterhin statt, allerdings mit dem gebührenden Abstand und unter Berücksichtigung von einschlägigen Hinweisen zum „Schutz vor Ansteckung mit dem Coronavirus auf Baustellen“. Dementsprechend fanden und finden die Prüfung der Unterlagen oder die Besprechungen in der Regel draußen und nicht im Container statt – und das unter großer Bereitschaft bei allen Beteiligten. In diesem Sinne hat die Gütegemeinschaft ihr Kerngeschäft in Form von Baustellenbesuchen innerhalb der Gütesicherung RAL-GZ 961 trotz der vielfältigen Einschränkungen in vollem Umfang abwickeln können.

Weitere Informationen unter:
www.kanalbau.com
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