Die Zusammenführung von dezentralen Krankenhausstandorten zu Zentralklinika kann gerade in ländlichen Regionen erheblich dazu beitragen, grundlegende Strukturprobleme im Krankenhaussektor zu lösen, welche Ambulantisierung, Fachkräftemangel, Doppelvorhaltungen oder auch Kostensteigerungen ausgelöst haben. Hierbei gilt es, zukunftsfähige Strukturen zu schaffen, die auf einer tragfähigen medizinischen Strategie und einer klugen betriebsorganisatorischen Planung beruhen. Es empfiehlt sich daher, die „richtige Reihenfolge“ in der baulichen Planung eines Klinik- Neubaus einzuhalten, damit nicht nur der Beton, sondern auch das betriebliche Konzept ein stabiles Fundament für den Krankenhausbetrieb bilden.

Ambulantisierung und weitere Einflussfaktoren auf den Krankenhausbau

Die Herausforderung, welche die fortschreitende Ambulantisierung für Krankenhäuser in Deutschland darstellt, betrifft nicht nur den Klinikalltag im Umgang mit Patientenbehandlung und -steuerung, sondern auch die baulichen Strukturen, welche in ihrer Gesamtheit zukünftig die steigenden ambulanten Behandlungen berücksichtigen müssen.

Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren schrittweise eine Umsetzung des im März 2022 veröffentlichten Gutachtens des IGES-Instituts stattfinden wird, welche durch eine Erweiterung des AOP-Katalogs die Zahl der stationären Behandlungen um bis zu 30 Prozent reduzieren und eine Behandlung dieser Fälle im ambulanten Bereich vorsehen wird. Für einzelne Fachabteilungen kann der stationäre Fallzahlrückgang bis zu 80 Prozent betragen (HNO, Augen).

Zusätzlich zur Ambulantisierung beeinflussen die Pandemielage, Personaluntergrenzen, Fachkräftemangel, die angestrebte Krankenhausreform, aber auch massive Kostensteigerungen den Erfolg des einzelnen Krankenhauses derzeit maßgeblich. Insbesondere kleinere Häuser oder kommunale Krankenhäuser mit mehreren Krankenhausstandorten und somit massiven Doppelvorhaltungen von Strukturen und Ressourcen sind in ihrer Zukunftsfähigkeit gefährdet.

Zentralisierung als Grundstein für eine zukunftsfähige Versorgung

Den Grundstein für eine zukunftsfähige Versorgung stellen somit kommunale Krankenhausneubauten mit Standortzentralisierungen und nachhaltiger Bauweise dar. Bei der Zentralisierung von mehreren Standorten steht besonders der Erhalt der flächendeckenden Versorgung für die Bevölkerung im Vordergrund. Um dies sicherzustellen, ist ein ganzheitliches Konzept der Gesundheitsversorgung erforderlich, welches eine umfassende Zusammenarbeit von kommunalen stationären und ambulanten Einrichtungen voraussetzt. Bekannte Beispiele für stationäre Standortfusionen im kommunalen Bereich sind die Krankenhausbauprojekte in Lörrach und Diepholz, die durch die ENDERA- Gruppe begleitet werden.

Handlungsempfehlung für die bauliche Planung von Krankenhäusern (Phasen)

Um Krankenhäuser zukunftsfähig planen und bauen und auch der fortschreitenden Ambulantisierung entsprechend Rechnung tragen zu können, sind im Regelfall die folgenden Planungsphasen zu durchlaufen. Hierbei ist es von entscheidender Bedeutung, diese Phasen in der richtigen Reihenfolge zu realisieren. Erst wenn die medizinische Strategie und die Betriebsorganisation definiert sind, kann mit der baulichen Planung begonnen werden.

  • Phase 1: Medizinstrategie und Bettenbedarfsplanung
  • Phase 2: Betriebsorganisation und Prozesse
  • Phase 3: Bauliche Planung
  • Phase 4: Finanz- und Businessplanung

In Phase 1 wird zunächst eine medizinische Strategie in Weiterentwicklung des bestehenden Medizinkonzepts erarbeitet. Diese bezieht nicht nur die klassischen Faktoren, wie Wettbewerb, Markt, demografische Entwicklungen und Morbidität mit ein, sondern bewertet auch ambulante Potenziale sowie Mindestmengen und -voraussetzungen, um möglichst genau zukünftige stationäre Fallzahlen und deren Verschiebung in den ambulanten Bereich prognostizieren zu können.

Soweit Krankenhausstandorte an einem neuen Zentralstandort zusammengeführt werden sollen, sind die Auswirkungen dieser Zusammenführung zu bewerten und es ist eine neue standortunabhängige Gesamtstrategie für die medizinischen Fachbereiche zu entwickeln.

Auf Basis der Medizinstrategie, d. h. dem künftigen Leistungsportfolio, und den erwarteten künftigen Fallzahlen und Belegungstagen können die künftigen Bettenbedarfe (Kapazitätsplanung) abgeleitet werden, die maßgeblich sind für bauliche Planungen. Ambulante Potenziale wirken sich zunächst fallzahlmindernd aus, können aber durch entsprechende andere gegenläufige Entwicklungen (neue Leistungsschwerpunkte, demografische Entwicklungen oder Morbiditätsentwicklungen) kompensiert werden.

In Phase 2 werden die Betriebsorganisation und Prozesse der stationären und ambulanten Fachbereiche durchleuchtet, um ein Raum- und Funktionsprogramm zu erstellen. Dabei werden nicht nur Raum- und Flächenbedarfe ermittelt, sondern auch Raumqualitäten und die betriebsorganisatorischen Verhältnisse, in denen Räume zueinanderstehen. Strukturelle Verbesserungen, die unter anderem auch durch die Zentralisierung von Krankenhausstandorten erleichtert werden, fließen mit ein. Dazu gehören immer die Digitalisierung und die Automatisation, aber auch die Logistik. Doppelvorhaltungen werden abgebaut.

Mithilfe der in Phase 1 und 2 entwickelten Ergebnisse aus Strategie und Betriebsorganisationsplanung wird in Phase 3 eine bedarfsgerechte bauliche Zielplanung einschließlich Raum- und Funktionsprogramm erstellt. Auch eine erste Kostenbewertung ist möglich.

Mit der Phase 4 wird die Refinanzierbarkeit des Gesamtkonzepts im Rahmen einer Business- planung überprüft, insbesondere ob die auf Grundlage der Medizinstrategie (Phase 1) prognostizierbaren künftigen Erlöse ausreichend sind, um die betrieblichen und baulichen Kosten – so wie sie sich aus Phase 2 und 3 ergeben – zu refinanzieren. Für die Planung von Personalbedarfen und -kosten im Krankenhauskernbetrieb sind die Auswirkungen einer Standortzentralisierung zu bewerten. Je nach Ergebnis der Businessplanung sind ggf. nochmals Anpassungen der betrieblichen und baulichen Planung erforderlich.

Ausblick: Dynamische statt statische Planung

Da es durch die Veränderung der Rahmenbedingungen jederzeit zu notwendigen Umplanungen kommen kann, sei es in der medizinischen Strategie oder in der Betriebs- organisation, ist der gesamte Prozess von Phase 1 bis 4 als dynamisch zu betrachten. Solange kein Start des Bauprojekts realisiert wurde, sollten veränderte Rahmenbedingungen stets in einer aktualisierten Planung münden, für die wiederum alle vier der beschriebenen Phasen zu durchlaufen sind – von der Medizin- strategie bis zur Businessplanung.

Das Erfordernis einer solchen dynamischen Plananpassung kann sich insbesondere aus Reformvorhaben der Bundesregierung ergeben, wie aktuell aus der Krankenhausstrukturreform, der angestrebten Ambulantisierung oder der politisch gewollten Verbesserung der Finanzierung bestimmter Leistungsbereiche wie Geburtshilfe und Pädiatrie. In der Vergangenheit haben aber auch die Pandemie, Energie- und Baukostensteigerungen oder Vorgaben zur Personalmindestvorhaltung im Pflegebereich zu massiven strukturellen Veränderungen in Leistungs- und Kapazitätsangeboten von Krankenhäusern geführt. All diese externen Einflussfaktoren seitens Gesetzgeber, Markt oder auch Wettbewerb sind stets kritisch zu reflektieren und mit der aktuellen baulichen Planung abzugleichen.

Umso wichtiger ist es, bauliche Projekte möglichst so zu realisieren, dass sowohl räumliche Expansions- als auch Konzentrationsmöglichkeiten gegeben sind, um beispielsweise zu einem späteren Zeitpunkt weitere Flächen in Betrieb zu nehmen oder aber auch im Gegenteil den Krankenhausbetrieb auf bestimmte Flächen zu begrenzen, damit andere Flächen bei Bedarf künftig anderen Nutzungen (Vermietung, ambulante Nutzungen) zugeführt werden können.

Weitere Informationen unter:
www.endera-gruppe.de
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