Zum bereits 34. Mal findet vom 12. bis 14. Februar 2020 das Oldenburger Rohrleitungsforum in den Gebäuden der Jade Hochschule statt. Dass sich die Veranstaltung zu einer festen Institution der Rohrleitungsbranche entwickeln konnte, liegt nicht zuletzt an der Aktualität der Themen, denen sich das Forum jedes Mal widmet. Gewohnt zukunftsorientiert, aber diesmal besonders energiegeladen verspricht die nächste Auflage unter dem Motto „Rohre und Kabel – Leitungen für eine moderne Infrastruktur“ zu werden: Erstmals wird ein besonderer Fokus auf den im Zuge der Energiewende immer bedeutsamer werdenden Kabelleitungsbau gelegt. Ein weiterer Schwerpunkt betrifft die Nutzung des Energieträgers Wasserstoff und seine Einbindung in die Gasinfrastruktur. Damit trägt das Veranstaltungsprogramm der aktuellen Entwicklung im Bereich Energieerzeugung Rechnung und macht Berührungspunkte zum klassischen Rohrleitungsbau deutlich.

Die Energieversorgung in Deutschland unterliegt derzeit einem massiven Wandel: Bis 2022 werden alle noch laufenden Kernkraftwerke vom Netz gehen, und auch der Ausstieg aus der Kohle bis spätestens 2038 ist beschlossene Sache. Statt fossiler Energieträger und Kernenergie sollen unter anderem Wind- und Sonnenkraft für die Stromerzeugung herangezogen werden, um die auf der Klimakonferenz von Paris gesteckten Ziele einer treibhausgasneutralen Stromerzeugung bis zum Jahr 2050 zu realisieren. Für die Zwischenzeit wurden Etappenergebnisse festgelegt. So soll etwa bis 2030 der Anteil der erneuerbaren Energien im deutschen Stromnetz von derzeit 38 auf 65 Prozent steigen.

Energiewende braucht Knowhow des Rohrleitungsbaus

„Die Energiewende bedeutet einen Strukturwandel, der völlig neue Herausforderungen an den Stromtransport stellt und einen umfangreichen Netzausbau unabdingbar macht“, unterstreicht Prof. Dipl-Ing. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des Instituts für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e. V., Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg und Vizepräsident der Jade Hochschule Wilhelmshaven / Oldenburg / Elsfleth, und hat dabei auch die Verschiebung der Einspeisepunkte und der Erzeugungsquellen im Blick: Der durch Windkraft erzeugte Strom wird vor allem im windreichen Norden Deutschlands gewonnen, aber in den Ballungszentren im windstilleren Westen und Süden des Landes benötigt. Um die Energieversorgung dort sicherzustellen, wo die industriellen Großabnehmer sitzen, muss der erneuerbare Strom über hunderte von Kilometern geleitet werden.

Erst im August dieses Jahres hatte sich die Bundesnetzagentur für den Bau einer vierten so genannten Stromautobahn von Schleswig- Holstein nach Nordrhein-Westfalen ausgesprochen. Für die drei anderen, schon länger diskutierten großen Trassen – „Suedlink“, „Suedostlink“ und „Ultranet“ / „A-Nord“ – laufen derzeit Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren. Der genaue Verlauf dieser Stromautobahnen steht zwar noch nicht fest. Dennoch werden die Planungen seit langem von massiven Bürgerprotesten begleitet. Um eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen, legte die Bundesregierung 2015 fest, dass Erdkabel Vorrang vor Freileitungen haben sollen. Wegener ist überzeugt: „Der Transport großer Mengen elektrischer Energie über diese Entfernung wird nur mit Tiefbauleistungen zu realisieren sein, die den im klassischen Rohrleitungsbau angewandten Verfahren sehr ähnlich sind. Rohrleitungsbauunternehmen können demnach einen erheblichen Beitrag zur Bewältigung dieser ernormen Aufgabe einbringen.“

Kabelleitungsbau und Wasserstofftechnologie im Fokus

Daher war es folgerichtig, das Thema Kabelleitungsbau zu einem Schwerpunktthema der 34. Ausgabe des Oldenburger Rohrleitungsforums zu machen. Wegener: „Viele unserer Besucher und auch zahlreiche Aussteller sind sowohl im klassischen Rohrleitungsbau als auch im Kabelleitungsbau tätig. Da drängte es sich schon fast auf, diesen Fokus zu legen.“ Die Tagung mit Fachausstellung versteht sich als Plattform für Information und Kommunikation und bietet den Besuchern ausreichend Möglichkeiten zur Diskussion über neue Trends und aktuelle Projekte.

Den Auftakt für die Veranstaltung bildet eine feierliche Eröffnung im Sitzungssaal des ehemaligen Landtags am 12. Februar. Mit seinem Impulsvortrag „Zusammenspiel von innovativer Hochschule und regionaler Entwicklung“ will der niedersächsische Minister für Wissenschaft und Kultur, Björn Thümler, dabei für einen fruchtbaren Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft werben – und könnte damit wohl kaum treffender auf die Veranstaltung einstimmen: Schließlich bilden aktuelle Forschungsergebnisse, Innovationen und Erfahrungen aus der Praxis die Grundlage der Fachreferate, die in fünf Themenstränge aufgeteilt sind. Wie gewohnt sind darunter aktuelle Erkenntnisse zu Rohrwerkstoffen, zu Verlegeverfahren und zur Digitalisierung. Erstmals steht allerdings das Thema Kabelleitung im Mittelpunkt.

Anhand von Fachvorträgen aus Wissenschaft und Praxis werden verschiedene Aspekte beleuchtet, darunter der Boden- und Ressourcenschutz beim Bau von erdverlegten Höchstspannungsleitungen und die Erdkabelverlegung mit Mehrfachpflugtechnik. Vorgestellt werden darüber hinaus Studien zur Erwärmung erdverlegter Kabel in HDD-Bohrungen. Mit Höchstspannung erwarten können die Besucher auch den Vortrag der Netzbetreiber TenneT und TransnetBW zur geplanten Suedlink-Trasse. Zuhörer erfahren mehr über die thermischen und hydraulischen Anforderungen an die Kabelumgebung im Projekt Suedlink, über HDD-Verfahren und erforderliche Sonderlösungen sowie über das Sonderbauwerk Elbetunnel. Welche besonderen Rahmenbedingungen bei der Verlegung von Kabeln und Rohren in Küstennähe zu berücksichtigen sind, steht ebenfalls auf der Agenda.

Neben der Nutzung von Wind- und Sonnenkraft liegen im Zuge der Energiewende auch große Hoffnungen auf der Wasserstofftechnologie, der in Oldenburg ebenfalls ein Schwerpunkt gewidmet wird. Zur Sprache kommen Strategien zur Wasserstoffeinspeisung in das Erdgasnetz sowie Sicherheitsfragen bei Wasserstoff in Hochdruckleitungen. Die vehementen Proteste, die die derzeitigen Planungen zu den Stromtrassen begleiten, die aber auch bei anderen Projekten wie zum Beispiel Stuttgart 21 laut geworden sind, werden am Veranstaltungsdonnerstag sicherlich zu regen „Diskussionen im Café“ Anlass geben. Unter dem provokant formulierten Motto „Der Widerstand wächst – kann man überhaupt noch Leitungen bauen?“ können Teilnehmer die Probleme erörtern, die sich angesichts von Klagen und Bürgerprotesten mit Blick auf eine zeitnahe und budgetkonforme Realisierung von Bauvorhaben ergeben.

Künftige Aufgaben und Herausforderungen im Blick

Das breit gefächerte Veranstaltungsprogramm mit seinen aktuellen Themen zeigt, dass das Oldenburger Rohrleitungsforum den Blick fest auf künftige Aufgaben und Herausforderungen der Branche richtet. Damit unterstreicht es auch den Anspruch des vor zwei Jahren ins Leben gerufenen Strategieprozesses, der das Institut für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e. V. (iro) unter der Bezeichnung „iro 2030“ zukunftsfähig machen will.

Mit besonderer Fokussierung auf die Themenfelder „Technologien der Zukunft“, „Sozialer Wandel“, „Strukturwandel“ und „Änderung der Marktstruktur“ sollen dabei die sich verändernden Bedingungen im Rohrleitungsbau berücksichtigt werden. Wichtige Stichwörter beim letzten Punkt sind zum Beispiel der Erdkabelbau, die Stromwirtschaft und die neue Nutzung alter Rohre. Wegener ist überzeugt: „Unter der Fragestellung, was passiert draußen, was macht die Branche, wie wollen wir uns auf die Belange der Kabelleitungsbauer einstellen, treffen die Inhalte des Forums 2020 den Nerv der Zeit.“

Weitere Informationen unter:
www.iro-online.de
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